Am Freitag, den 19.12.2025, haben sich auf Einladung der Flüchtlingsinitiative Bollert Vertreter:innen der Kommunal- und Landespolitik in Uslar getroffen. Kernthema und Anlass des Gesprächs war die verschärfte Abschiebe- und Asylpolitik des Landes Niedersachsen, unter der aktuell besonders Jesid:innen leiden. Das betrifft auch Menschen aus Uslar, um die sich die Flüchtlingsinitiative Bollert kümmert.
Zu dem Gespräch waren eingeladen und anwesend:
- Djenabou Diallo Hartmann, MdL, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Sprecherin für Migration, Geflüchtete und Antirassismus, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
- Michael Lühmann, MdL, Sprecher für Innenpolitik, Antifaschismus und Sport
- Heidi Emunds, Mitglied des Kreistages und des Stadtrates, SPD
- Torsten Bauer, Bürgermeister der Stadt Uslar, CDU (musste die Runde aus Termingründen vorzeitig verlassen und ist daher nicht auf dem Foto)
- Marlon Weifenbach, Mitglied des Stadtrates, SPD
- Matthias Rieger, Mitglied des Stadtrates, SPD
- Gisela Jordan und Rose Rückert, Sprecherinnen der Flüchtlingsinitiative Bollert
- Kerstin Rüberg, Vorsitzende des OV Uslar, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Frau Gisela Jordan berichtete unter anderem von einer 20-jährigen Jesidin, die kürzlich in den Irak abgeschoben wurde. Die junge Frau war zur Verlängerung ihrer Duldung in die Ausländerbehörde Lüdenscheid geladen und dort unmittelbar in Abschiebehaft genommen worden. Immer wieder komme es – bundesweit und auch im Landkreis Northeim – vor, so Gisela Jordan, dass gut integrierte Menschen, die teilweise einen Ausbildungsplatz in Aussicht haben, plötzlich abgeschoben werden. Familien würden auseinandergerissen und die Betroffenen erneut traumatisiert.
Der Irak ist das Land, in dem am 3. August 2014 etwa 5.000 Jesid*innen im Zuge eines Genozids ermordet und rund 7.000 Menschen verschleppt wurden. Die Bundesregierung hat dieses Verbrechen am 19. Januar 2023 als Völkermord anerkannt. Parteiiübergreifend wurde der jesidischen Gemeinschaft damit besonderer Schutz in der Bundesrepublik zugesagt. Dies löste Erleichterung und Hoffnung auf ein dauerhaftes Bleiberecht aus.
Heute leben etwa 200.000 Jesid:innen in Deutschland – die größte jesidische Diaspora weltweit. Ein Großteil von ihnen lebt in Niedersachsen. Auch die Stadt Uslar ist für rund 80 bis 100 Jesid:innen zur Heimat geworden.
Djenabou Diallo Hartmann berichtete aus ihrer Arbeit als Landtagsabgeordnete und erläuterte die Hintergründe des versäumten bundesweiten Abschiebestopps. Dieser hätte von der Innenminister:innenkonferenz einstimmig der damaligen Bundesinnenministerin Nancy Faeser vorgelegt werden müssen. Weder eine Einstimmigkeit noch eine Mehrheit kamen zustande. Die niedersächsische Innenministerin Daniela Behrens hatte zwar vorläufige Abschiebestopps für Jesid:innen verhängt, diese können jedoch nicht weiter verlängert werden.
Für von Abschiebung bedrohte Jesid*innen bleibt aktuell lediglich die Möglichkeit, einen Härtefallantrag über den Flüchtlingsrat des Landes zu stellen und sich rechtlichen Beistand zu suchen, ergänzte Michael Lühmann. Die Abschiebung könne dann nur noch im Einzelfall geprüft werden.
In dem knapp zweistündigen Gespräch waren sich alle Beteiligten einig, dass eine menschliche Asylpolitik nicht nur aus humanitären Gründen, sondern auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels notwendig ist. Warum werden Menschen mit Ausbildung oder konkreter Aussicht auf eine Ausbildung abgeschoben – Arbeits- und Fachkräfte, die bereits integriert sind und die deutsche Sprache lernen?
Gerne folgten die Gesprächsteilnehmer*innen der von Djenabou Diallo Hartmann und Michael Lühmann ausgesprochenen Einladung, sie beide im Frühjahr im Landtag in Hannover zu besuchen und den Austausch zu diesem Thema fortzusetzen.